Die „Alte Bäckerei“ in der Johannisstraße zählt zu den wenigen noch vorhandenen Fachwerkbauten der Dessauer Neustadt. Gemeinsam mit anderen Häusern verschiedener Epochen wie etwa dem benachbarten Schwabehaus und dem Wohnhaus des Bildhauers Friedemann Hunold in der Johannisstraße 10 (er wohnte dort von 1820 bis 1840) bildet dieser historisch gewachsene Straßenzug ein in Dessau denkmalpflegerisch einzigartiges Ensemble.
Das Haus wurde um 1810 noch vor dem Schwabehaus als Wohnhaus mit einer symmetrischen Fassaden- und Raumgliederung als zweigeschossiges, fünfachsiges Fachwerkhaus erbaut. Mit seiner Fassadengliederung wirkte es als Vorbild für das später entstandene Schwabehaus und bildete so mit diesem bis Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts eine architektonische Einheit.
Um 1870 erhält das Haus rückseitig zwei Seitenflügel in Massivbauweise mit unverputztem Ziegelmauerwerk, wo die Backstube und Wirtschaftsräume für eine Bäckerei eingerichtet wurden. Vermutlich wurden zur gleichen Zeit auch im Vorderhaus durch den Einbau eines Verkaufsraums mit Schaufenster und Ladentür Veränderungen vorgenommen, welche die Symmetrie der Fassade auflösten.
Der älteste Beleg für die Nutzung als Bäckerei stammt aus dem Jahr 1873. Der letzte Bäcker war von 1959 bis 31.12.1975 Kurt Diedrich. Danach nutzte sein Sohn Kurt Diedrich die Räume bis Ende der 1980er Jahre für Vorbereitungsarbeiten zur Zuckerwatteherstellung. Sowohl die Räume der Bäckerei als auch die noch als Wohnung genutzten Räume wurden im Jahre 1990 aufgegeben und an die Familie Polland (Erbengemeinschaft) zurück gegeben, worauf das Haus bis zu dessen Sanierung leer stand, zunehmend verfiel und durch eindringendes Wasser und Hausschwammbildung das sanierte Schwabehaus gefährdete.
Nachdem sich der Schwabehaus e.V. sowohl finanziell als auch personell konsolidierte, fasste er im Jahre 2007 den Beschluss, das Haus zu erwerben und denkmalgerecht zu sanieren. Nach einer über zweijährigen Planungs- und Abstimmungsphase, in der Erfahrungen mit dem Betrieb des Schwabehauses insbesondere zu eine flexiblen Innenraumnutzung einflossen, sowie der Klärung der ohne Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auskommenden Finanzierung über Förder- und Eigenmittel konnte die Sanierung des Hauses beginnen (siehe auch Abschnitt „Finanzierung“ unter Kapitel „Der Verein“). Bereits Anfang des Jahres 2011 konnten die ersten Mieter einziehen. Auch bei diesem Haus setzten sich die Mieter aus gemeinnützigen und gewerblichen Mietern zusammen.
Die Sanierung erfolgte nach dem Grundsatz, möglichst viel an historisch Belegbarem zu erhalten bzw. in Annäherung an das historische Vorbild wiederherzustellen, nicht belegbare Elemente aber deutlich sichtbar nach funktionalen Aspekten modern zu gestalten und harmonisch einzuordnen.
Im Erdgeschoss links befinden sich heute noch Rudimente der alten Backstube. Der äußerlich restaurierte, aber nicht mehr funktionstüchtige Dampfbackofen aus dem Anfang der1930er Jahre stammt von der Firma Alwin Michel & Co aus Großschönau in Sachsen. Seine Schaufront bildet heute ein stimmungsvolles Ambiente für den Frisiersalon „la rubia“. Die Rückseite des Backofens wurde geöffnet und ist Bestandteil eines kleinen Museums zur Bäckereigeschichte.